Page 43 - Lebensraum-2019
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Mittwoch, 13. November 2019                 Lebensraum Zurzibiet                                                43



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                                                                                           Der Abtransport des Aushubs soll 19 000
                                                                                           Lastwagenfahrten erfordern. «Du, Last-
                                                                                           wägeler, wieviel kann man da aufs Mal la-
                                                                                           den?» «Kommt darauf an, ob du mit ei-
                                                                                           nem Zwei- oder einem Fünfachser fährst»,
                                                                                           hält der altgediente Chauffeur fest. Das
                                                                                           Gespräch kommt in Gang. Wo kann man
                                                                                           den Aushub deponieren? Muss man eine
                                                                                           besondere Lastwagenpiste bauen? Ge-
                                                                                           hen die befahrenen Strassen kaputt? Auf
                                                                                           wessen Kosten werden sie geflickt? Ein
                                                                                           Wort gibt das andere. Fast jeder kann et-
                                                                                           was beitragen. Es ist kurzweilig und man
                                                                                           lernt dazu.
                                                                                            Gar bald sind die gut anderthalb Stun-
                                                                                           den vorbei. Aber vor dem Abschluss-Na-
                                                                                           geln erzählt Markus Odermatt noch einen
                                                                                           Witz, den er kürzlich in der «Botschaft»
                                                                                           gefunden hat: «Der Bub geht zum Vater.
           Markus Odermatt diskutiert mit den Senioren, die ständig oder ferienhalber im Altersheim sind.  Du, Vater, wir sollten ein Gespräch unter
                                                                                           drei Augen haben.» «Wieso denn? Soll-
                                                                                           ten wir das Gespräch nicht unter vier Au-
           Worte und Sätze                                                                 gen haben?» «Nein, eben nicht», meint der
                                                                                           Bub, «du solltest nämlich wieder einmal
                                                                                           ein Auge zudrücken.» – Es wird geschmun-
           wie buntes Herbstlaub                                                           zelt und gelacht – zweifellos schleicht sich
                                                                                           da und dort die Erinnerung an die eigene
                                                                                           Lausbubenzeit ein.

           Wöchentliche Gesprächsrunde mit Männern im Altersheim.                          Und die Moral von der Geschichte?
                                                                                           Die Gesprächsteilnehmer sind zu einem
                                                                                           Farbtupfer im grauen Alltag gekommen.
           BAD ZURZACH (fi) – Er kennt die lang-   das Abbrennen der Felder ist vor allem   Es ist, wie wenn vor grau verhangenem
           jährigen Kunden. Man redet einander mit   schuld. Hat es das bei uns auch schon ge-  Himmel das Gelb eines herbstlichen Ahorn
           Vornamen an. Der Gesprächsleiter weiss,   geben? Ja, die Gesprächsteilnehmer erin-  leuchtet. Und der Gesprächsleiter ist von
           dass der eine Bauer  und Gemeindeam-    nern sich. Ganz besonders taucht das Bild   den Männern mit zufriedenen, fröhlichen
           mann, der andere Lastwagenchauffeur     der herbstlichen Kartoffelfeuer auf. Wenn   Gesichtern für Vorbereitung und Einsatz
           war. Zwei Neue machen mit. Der eine ist   man die Stauden verbrannt hat, qualmte es   belohnt worden. So bleibt nur noch die Fra-
           promovierter Physiker, der andere hat einst   ordentlich und ein besonderer Geruch lag   ge anzuhängen, die gleich zu Beginn ein-
           als Lehrer den Kindern das ABC beige-   in der Luft. Da wird vom Neuen aus dem   geworfen wurde: Weshalb sind nicht auch
           bracht – zwei Jahre lang sogar in Persien.  Saarland daran erinnert, dass bisweilen im   Frauen dabei? Oder möchte man hier wie
             Die einen hatten sich viel zu früh einge-  Untergrund  Torffelder  langsam  abbren-  dort unter sich sein?
           funden. Andere nähern sich knapp vor Be-  nen. Das führt zu Geländesenkungen. Man
           ginn mit Rollator oder im Rollstuhl. Mar-  kann nichts dagegen machen. Ein Kollege
           kus Odermatt richtet hinten im Saal Tisch   wirft ein: Bei den Waldbränden gibt es das
           und Stühle. Allerlei alkoholfreie Getränke   auch: Wenn längst kein Feuer mehr zu se-  Freiwillig im Dienst
           sind da. Zwischendurch wird es auch noch   hen ist, kann sich die Glut halten, ausbrei-
           einen Kaffee geben. Bevor ins Gespräch   ten und beim geringsten Luftzug erneut   Markus Odermatt betreut seit etwa
           eingestiegen wird, findet ein besonderes   Flammen züngeln lassen.                sieben Jahren im Zurzacher Alters-
           Ritual statt: Jeder hat in einen Lindenholz-  Zurück nach Indien. Da ist in der Zei-  heim eine Männer-Gesprächsrunde.
           klotz einen Nagel einzuschlagen. Der Klotz   tung zu lesen, dass der eine Minister zur   Der 69-jährige Nidwaldner war als
           ist hart und der Hammer leicht – da muss   Bewältigung  der  Smog-Plage  die Leute   Lehrer in den Aargau gekommen,
           man ordentlich klopfen.                 aufrief, Karotten zu essen. Der andere Po-  wo er bei Stellvertretungen verschie-
                                                   litiker empfahl, den Tag mit Musik zu be-  dene Gegenden kennengelernt hat.
           Feuer und Smog                          ginnen. Kopfschütteln ist da die angemes-  Seit 1990 wohnt er in Kleindöttingen.
                                                   sene Reaktion.                            Hier findet er alles, was er braucht, in
           Die zwei «Neuen», die sich eingefunden ha-                                        nächster Nähe – vor allem auch die Na-
           ben, verhalten sich abwartend. Sie kennen   Sich wundern und erinnern             tur. Odermatt war nach seiner früh-
           «den Töff» halt noch nicht. Die fünf «Bis-                                        zeitigen Pensionierung auf der Suche
           herigen» haben keine brennenden Fragen   Der derzeitige Medikamentenmangel in     nach einem Freiwilligen-Engagement.
           mitgebracht. So ist es an Markus, einen Ge-  der Schweiz, die Preise der Heilmittel und   Da hat er den Tipp bekommen, doch
           dankenaustausch anzuzetteln. Er hat dazu   wenig verständliche Verteilstrategien wa-  im «Pfauen» eine Gesprächsgruppe
           ein paar Zeitungsbilder mitgebracht. Da   ren ein weiteres Thema. Natürlich bemüh-  zu leiten. Er ist gleich eingestiegen
           ist eine Grossstadt im dichten Smog. Es ist   te man sich, nahe an den Fakten zu blei-  und trifft sich wöchentlich mit «sei-
           Indiens Hauptstadt. Wie heisst diese doch   ben. Aber tierisch ernst ging es nicht zu.   nen Mannen». Allerdings wechselt
           gleich? New Delhi. Ja, klar. 20 Millionen   Da wurden Sprüche gemacht und es wur-  die Zusammensetzung immer wieder.
           Einwohner. Zweieinhalbmal die Bevölke-  de gelacht.                               Manchmal hat er nur drei und dann
           rung der Schweiz. Woher der Smog? Na-    Grund, sich zu wundern, gab auch der     wieder über zehn Gesprächspartner.
           türlich ist da der Verkehr gewaltig. Aber   Neubau des Kantonsspitals Baden, der ein
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